Während ihres Exils in Südfrankreich zu Anfang der 1940er Jahre malte Charlotte Salomon in etwa 800 Blättern im Format von 32,5 cm x 25cm das, was man heute eine Graphic Novel nennen würde. Mit expressiven Gouache-Bildern voller Farbe und Bewegung sowie Texten stellte sie das Leben ihrer Berliner Familie und ihr eigenes nach. Sie nannte diesen Bilderzyklus „Leben oder Theater? Ein Singespiel“. Das Werk ist, mal in humorvollem, mal in nachdenklichem Ton, ein persönliches Epos, das die Künstlerin in Akten und Szenen unterteilte: das Kennenlernen ihrer Eltern im Ersten Weltkrieg, die vielen Suizide in ihrer Familie mütterlicherseits (darunter auch der ihrer Mutter selbst), ihre Geburt im Jahr 1917, ihre Liebe zu ihrer Stiefmutter, zur Malerei und Musik, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, ihre Romanze mit dem Gesangspädagogen Amadeus Daberlohn und ihre Flucht an die Côte d’Azur. Renommierte Schauspieler_innen wie Vicky Krieps, Mathieu Amalric oder Hanna Schygulla sprechen die Figuren in diesem Animationsfilm der besonderen Art, der neben Charlotte Salomons Bildern auch Fotos der Familie sowie Ausschnitte aus Wochenschauen und Stummfilmen verwendet. Den Regisseurinnen Delphine & Muriel Coulin gelingt eine unterhaltsame und anrührende Hommage an eine bedeutende Künstlerin, die im Alter von nur 26 Jahren in Auschwitz ermordet wurde.
Text: Kira Taszman