Leonardo Zuliano ist verschwunden. Wurde er entführt? Lebt er überhaupt noch? Der junge Mann ist in Italien der Wortführer der Bewegung der „Antisemiphobie“, die dagegen kämpft, dass Antisemiten das Wort verwehrt wird. In Italien ist er eine Person des öffentlichen Interesses, wird kritisiert, verehrt, aber immer wahrgenommen. Der vaterlos aufgewachsene Leonardo verprügelte schon als Kind den einzigen jüdischen Mitschüler der Klasse, bekam Ausschlag, als er erfuhr, dass Jesus Jude war und einen Epilepsieanfall, als das jüdische Volkslied „Hava Nagila“ ertönte. Als Erwachsener reüssiert er als Autor des antisemitischen Comic-Buchs „Bloody Mario“ und wirbt für die der Fastfood-Kette „Burger Pork“, die ausschließlich nicht-koschere Ingredienzien benutzt.
Natürlich gibt es Zuliano nicht, doch in täuschend echt wirkenden Nachrichtensendungen, Interviews mit vermeintlichen Psychologen, Historikern und Soziologen sowie Leonardos „Familienmitgliedern“ gelingt Regisseur Alberto Caviglia in seinem witzigen und überdrehten Pseudo-Dokumentarfilm das Porträt eines Möchtegern-Duce mit freundlichem Antlitz. Dessen menschenfeindliche, antisemitische Rhetorik wird in der Öffentlichkeit heruntergespielt und entlarvt eine weit verbreitete Indifferenz gegenüber dem aktuell erstarkenden Antisemitismus. Besonders komisch und zugleich verstörend sind die Ausschnitte eines Films im Film, „Fear of Hating“, der in weichgezeichneten Schwarzweißbildern die „glorreiche“ Biographie des Helden nachstellt.
Text: Kira Tazmann
Am 14.6. um 19:30 im Filmkunst 66 und am 17.6. um 17:00 im HBPG und um 21:00 im Il Kino ist Regisseur Alberto Caviglia nach dem Film zum Filmgespräch anwesend.