Dabei vertraut Regisseurin Mala Reinhardt auf einfache ästhetische Gestaltungsmittel und lässt die Protagonist:innen direkt und unmittelbar von ihren Erfahrungen berichten. Der Film gibt ihnen einen Raum, den sie bisher nicht hatten, und vollzieht dabei einen Perspektivwechsel, stehen doch für gewöhnlich die Täter:innen im Mittelpunkt medialer Berichterstattungen. Die vermeintlichen Einzelschicksale der Anschläge und Erlebnisse der Angehörigen führt der Film zusammen und zeichnet so ein Gesamtbild des strukturellen Rassismus, der die Hinterbliebenen in einer zweiten Welle der Gewalt trifft: Übergriffiger Journalismus, Behörden, die in erster Instanz Familienmitglieder verdächtigen, die Tatenlosigkeit und Ignoranz der Politik. Es wird deutlich, dass diese Haltung auch für die Kontinuität verantwortlich ist, mit der rechtsextremistische Anschläge in Deutschland seit den 1980ern verübt werden konnten – von rassistisch motivierten Morden in Hamburg über die Anschläge in Mölln und Rostock-Lichtenhagen bis hin zu den Morden des sogenannten ‚NSU‘, der zwischen 2000 und 2006 neun Menschen ermordete. ‚Kein zehntes Opfer‘ fordern die Angehörigen gegenüber den Behörden und der Politik auf Demonstrationen und Gedenkfeiern, ‚NSU-Komplex auflösen‘ heißt ein Aktionsbündnis, das 2017 ins Leben gerufen wurde und nach einer lückenlosen Aufklärung verlangt. Auch von diesen Wegen der Widerständigkeit berichtet der Dokumentarfilm.
Text: Merlin Webers
Vor der Filmvorführung von DER ZWEITE ANSCHLAG findet am Sa, 22. Juni, 13:30 Uhr das Panel Bildpolitiken des Terrors mit Benjamin Fischer (Programmdirektor Alfred Landecker Foundation) und Miro Dittrich (Senior Researcher CeMAS – Center für Monitoring, Analyse und Strategie) statt. Sprache: Deutsch, Eintritt frei, Filmkunst 66 – Saal 2.
Nach der Filmvorführung von DER ZWEITE ANSCHLAG findet am Sa, 22. Juni, 16:30 Uhr das Panel Rechte Gewalt und rechtsextremer Terror und die gesellschaftliche Funktion von Film in Deutschland mit Julian Vogel (Regisseur von EINZELTÄTER) und Ulf Aminde (Künstler und Filmemacher) statt. Sprache: Deutsch, Eintritt frei, Filmkunst 66 – Saal 2.