Karel Šlings Vater, der tschechoslowakische KP-Funktionär Otto Šling, gehörte zu den Angeklagten der Schauprozesse gegen insgesamt 14 Funktionäre, die den damaligen kommunistischen Machthabern ein Dorn im Auge waren. Nicht, weil sie zu liberal gewesen wären, im Gegenteil waren viele der Angeklagten als Hardliner bekannt. Eher ging es um interne Machtspiele, um externe Machtdemonstration – und darum, den in Moskau regierenden Stalinisten entgegenzukommen. Elf der Angeklagten wurden unter dem fadenscheinigen Vorwurf, sich dem amerikanischen Imperialismus, dem Titoismus und dem Zionismus verschrieben zu haben, abgeurteilt und hingerichtet, die meisten davon Juden. Der Film gibt einen Eindruck von der damaligen Atmosphäre, beschreibt den Druck und die psychologische Folter, der auf die einst mächtigen KP-Kader ausgeübt wurde. Und auch die antisemitische Hetze, mit der im Land Stimmung gemacht wurde. Karel Šling gehörte 1977 zu den Unterzeichnern der Charta 77, in der sich Intellektuelle und Dissidenten aus ganz Osteuropa gegen das totalitäre Willkürsystem im real existierenden Sozialismus aussprachen. 1984 emigrierte er nach Großbritannien. Bis heute schleppt er nicht nur die Traumata der Shoah mit sich, sondern auch die Erinnerung an die Hinrichtung seines Vaters – von der er als Kind zunächst glaubte, sie sei gerechtfertigt. Heute fragt er sich, ob er mit seiner Emigration in den Westen – Mitte der 1980er-Jahre stand die Mauer, an ein Wiedersehen mit seiner Familie war also nicht zu denken – den eigenen Verlust des Vaters mit vertauschten Rollen noch einmal nachvollzogen hat.
Hier kommt Regisseurin Eva Tomanová auch auf epigenetische Forschungen zu sprechen, bei denen physische Veränderungen im Gehirn bei von Stress Traumatisierten festgestellt wurden. Sie stellt die These von der Traumatisierung ganzer Nationen in den Raum, die unter dem Eindruck von Gewalterfahrungen, Kriegen und Totalitarismus unter kollektiven Stress gerieten. Damit verbindet sie die investigative Spurensuche mit der Frage, wie sich historische Gewalterfahrungen auf gegenwärtige gesellschaftliche Haltungen auswirken. Prägen die damit verbundenen Traumata nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Stressverarbeitungsmechanismen? Wie wirkt sich das auf die Biografie des Einzelnen aus, und wie auf die politische Kultur der betroffenen Gesellschaften?
Text: Bernd Buder
Im Anschluss an alle Filmvorführungen findet ein Gespräch mit der anwesenden Regisseurin Eva Tomanovà statt.
Zudem ist sie Teilnehmerin des Podiumsgesprächs: Zwischen staatlich gelenktem „Antizionismus“ und Alltagsressentiment – Antisemitismus im Sozialismus am Do, 20. Jun, 17:00-18:30 in der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum.