Früher gehörte das Haus, in dem Jan jetzt wohnt, Tzvika Aigerman. Der hat die Shoa überlebt und wollte eigentlich in sein Haus zurückkehren, doch er verschwand spurlos. Jan hat nie über diese Zeit gesprochen, nicht während des Sozialismus, und auch nicht danach. Als Karolina versucht, ihn zur Rede zu stellen, reagiert er wütend. Und auch Ksawery will eigentlich nicht über die Vergangenheit reden: sein Großvater ist sein Großvater, die beiden lieben sich, auch wenn Jan aus politischen Gründen für Schwule gar nichts übrig hat, für seinen Enkel aber schon.
Film- und Theaterregisseur Przemysław Wojcieszek spielt mit seinem sechsten Spielfilm auf den Wunsch vieler Pol:innen an, den polnischen Antisemitismus während und nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Teppich zu kehren. Die Thematisierung von Nachkriegs-Pogromen wie etwa dem von Kielce, bei dem 1946 über 40 Jüdinnen und Juden ermordet wurden, führt bis heute zu „Nestbeschmutzer“-Vorwürfen, wie Michal Jaskulskis und Lawrence Loewingers Dokumentation BOGDANS REISE (ebenfalls im Programm des JFBB 2025) zeigt. Die familiäre Zuneigung zwischen Jan und Ksawery macht den Streit nicht einfacher: wechselseitig wird immer ein anderer zum Außenseiter in dieser toxischen Dreierbeziehung.
Über einen Streit, der weh tut, aber keinen heilt. Weil die Wahrheit, die hier niemand kennt oder niemand kennen will oder niemand zu kennen glaubt, von Anfang an hinter einem komplexen Geflecht aus Spekulationen und Vorwürfen, Schönreden und Verschweigen verloren gegangen ist.
Text: Bernd Buder
Nach beiden Filmvorführungen findet ein Q&A mit dem Regisseur Przemyslaw Wojcieszek statt.